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Kontrollierte Kollision zweier Elektronen in einem Halbleiterchip

Kontrollierte Kollision zweier Elektronen in einem Halbleiterchip

Simulation der Elektronenflugbahnen nach einer Kollision in einem elektronischen Strahlteiler.

Eine neuartige Quantenelektronik steuert zeitgenau die Wechselwirkung zwischen einzelnen Elektronen

In nanostrukturierten Schaltungen können Elektronen sich mit hoher Geschwindigkeit auf ballistischen Flugbahnen bewegen. Die Manipulation beziehungsweise Kontrolle einzelner Ladungsträger stellt dabei eine große technologische Herausforderung dar. Mit einem neuen Halbleiter-Bauteil aus der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) ist es jetzt gelungen, die Flugbahnen zweier Elektronen so aufeinander abzustimmen, dass ein einzelnes Elektron selbst zur Untersuchung eines anderen dienen kann. Unterstützt von QuantumFrontiers berichten die Forschenden darüber in der aktuellen Ausgabe von Nature Nanotechnology. Gestützt werden ihre Ergebnisse durch Veröffentlichungen zweier weiterer unabhängiger Gruppen in derselben Ausgabe der Fachzeitschrift.

Eine Pikosekunde ist unvorstellbar kurz: 10−12 Sekunden. Auf einige Pikosekunden genau können die Einzelelektronenquellen auf einem Halbleiterchip ihre Elektronen aussenden. Stimmt man zwei solcher Quellen aufeinander ab, so lässt sich ein Elektronenpaar erzeugen, dessen Flugbahnen sich an einer klar definieren Stelle kreuzen. Dies entspricht dem Versuch, ein Projektil im Flug mit einem perfekt platzierten zweiten Schuss zu treffen – allerdings in einer nur wenige Mikrometer großen Halbleiterschaltung mit Elektronen. Jedes Ergebnis einer Kollision wird von zwei Einzelelektronendetektoren mit hoher Genauigkeit erfasst.

Obwohl die Elektronen sich nur für einen sehr kurzen Moment begegnen, ließ sich in Zusammenarbeit mit der Universität Lettland und unterstützt von der Technischen Universität Braunschweig auf diese Weise zeigen, dass einzelne ballistische Elektronen kontrolliert zu einer deutlichen Wechselwirkung gebracht werden können. Mögliche Anwendungen dieser auf einzelnen ballistischen Elektronen basierenden Technologie sind ultraschnelle elektronische Sensoren oder Schalter sowie die Erzeugung von quantenmechanisch verschränkten elektronischen Zuständen als Träger von Quanteninformationen in Quantencomputern.

Die Ergebnisse decken sich mit denen zweier anderer unabhängiger Forschenden Gruppen unter Leitung des NEEL (Laboratoire de recherche fondamentale en physique de la matieère condensée) in Grenoble/Frankreich bzw. des englischen Metrologieinstituts NPL (National Physical Laboratory) in Teddington/London. Die Fachzeitschrift Nature Nanotechnology bringt alle drei in einer Ausgabe und widmet ihnen einen „News&Views“-Kommentar.

Die Ergebnisse eröffnen Wege für die kontrollierte Interaktion einzelner Elektronen, ein nicht-lineares elektronisches Gegenstück zur Quantenoptik mit Photonen.

 

Originalartikel:
N. Ubbelohde, L. Freise, E. Pavlovska, P. Silvestrov, P. Recher, M. Kokainis, G. Barinovs, F. Hohls, T. Weimann, K. Pierz, V. Kashcheyevs
Two electrons interacting at a mesoscopic beam splitter.
Nat. Nanotechnol (2023). https://doi.org/10.1038/s41565-023-01370-x